Zusammenfassung
Anamnese und klinischer Befund: Ein 61-jähriger Patient stellte sich mit seit 4 Tagen zunehmenden Rückenschmerzen
und abdominellen Beschwerden vor. Seit dem Vortag sei es zu einer Verschlechterung
des Allgemeinzustandes mit Schwächegefühl und Dyspnoe gekommen. Bei Aufnahme war der
Patient tachykard und tachypnoeisch mit Lippen- und Akrozyanose bei einer Körpertemperatur
von 39,1 ˚C. Bis auf eine epigastrische Druckdolenz war der abdominelle Untersuchungsbefund
unauffällig. Die gesamte Haut des Patienten verfärbte sich livide, und es entwickelten
sich zunehmende Einblutungen mit zentralen Nekrosen. Fremdanamnestisch war eine Hundebissverletzung
einige Wochen vor Aufnahme eruierbar.
Untersuchungen: Laborchemisch zeigte sich eine deutliche Entzündungskonstellation und Thrombozytopenie.
Als Hinweis auf eine systemische bakterielle Infektion war die Procalcitonin-Konzentration
im Serum signifikant erhöht. Röntgen-Thorax- sowie CT-Untersuchungen des Abdomens
und der basalen Lungenabschnitte erbrachten keine richtungsweisenden Befunde. Im transösophagealen
Echokardiogramm konnte eine Endokarditis ausgeschlossen werden, die Pumpfunktion war
jedoch global stark reduziert. Die anaerobe Blutkultur ergab das Wachstum eines gramnegativen,
pleomorphen Stäbchenbakteriums, das sich durch weitere molekulargenetische Untersuchungen
als Capnocytophaga canimorsus identifizieren ließ.
Diagnose, Therapie und Verlauf: Der Patient wurde auf die Intensivstation aufgenommen. Bei einer Sepsis zunächst
ohne eindeutigen Erreger oder Fokus begannen wir eine intravenöse Behandlung mit Piperacillin/Tazobactam.
Im Verlauf wurde die Antibiose bei fraglicher meningealer Beteiligung um Ceftriaxon
erweitert. Im Rahmen der Verbrauchskoagulopathie wurden Blutprodukte und Plasmabestandteile
transfundiert. Trotz supportiver Maßnahmen starb der Patient nach 4 Tagen im Multiorganversagen.
Folgerung: Nach Hunde- und Katzenbissverletzungen sollte als Auslöser einer Sepsis, vor allem
bei Patienten mit Splenektomie oder Alkoholabusus, eine Capnocytophaga canimorsus-Infektion in Betracht gezogen werden. Ein mikroskopischer Direktnachweis eines gramnegativen
Stäbchenbakteriums im Blutausstrich kann diesen Verdacht erhärten, bevor dieser langsam
wachsende Erreger kulturell gezüchtet worden ist. Bei der beschriebenen hohen Mortalität
ist eine frühzeitige spezifische antibiotische Therapie von entscheidender Bedeutung
für den weiteren Verlauf. Das Bewusstsein von Ärzten und Patienten sollte hinsichtlich
der Infektionsgefährdung durch Bissverletzungen geschärft werden. Wie dieser Fall
belegt, sollte nicht nur bei Risikopatienten eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen.
Summary
History and clinical findings: A 61-year-old man presented with a four-day history of back pain and nonspecific
abdominal pain. His condition had significantly worsened since the day before admission
with generalized weakness and dyspnea. His temperature was 39.1˚C, he had tachycardia
and was tachypneic. Peripheral cyanosis was noted. The abdomen was soft with mild
epigastric tenderness. A diffuse skin rash developed with increasing petechial bleeding
and central necrosis. It was revealed that he had been bitten by a dog several weeks
before admission.
Investigations: Laboratory data indicated an acute inflammatory process with a marked increase in
white blood cells and C-reactive protein. An elevated procalcitonin level suggested
a systemic bacterial infection. Chest X-ray and abdominal CT scan were unremarkable.
Echocardiography revealed a globally hypokinetic heart with no evidence of valvular
vegetations. One set of blood cultures grew micro-aerophilic, Gram-negative rods.
Gene sequencing identified the slow growing, fastidious bacillus as Capnocytophaga canimorsus.
Treatment and course: The patient was admitted to the intensive care unit and initially treated with intravenous
piperacillin/tazobactam and hydrocortisone for septic shock. Transfusions of platelets
and blood products were given because of disseminated intravascular coagulation. The
patient developed multi-organ failure requiring ventilation and hemodialysis; he died
four days after admission.
Conclusions: As a rare cause of septicemia, especially in immunocompromised patients, Capnocytophaga
canimorsus infection should be considered after an animal bite. Given the slow growth
of this bacterium in culture, Gram-staining of a peripheral blood smear may provide
an early diagnosis and avoid delay before appropriate antibiotic therapy, which may
favorably influence the potentially fatal course, is started.
Schlüsselwörter
septischer Schock - Purpura fulminans -
Capnocytophaga canimorsus
- Antibiotikaprophylaxe - Hundebissverletzung
Key words
septic shock - purpura fulminans -
Capnocytophaga canimorsus
- antibiotic prophylaxis - dog bite